Ausstellungsansicht, Raum I, Werke v.l.n.r. Wolfgang Wirth,
Christian Eisenberger, Veronika Dirnhofer
Foto: courtesy artepari
 

Ausstellungsansicht, Raum I, Werke v.l.n.r. Christian Eisenberger, Klaus Wanker
Foto: courtesy artepari
 

Veronika Dirnhofer, o.T., 2011, Öl auf Leinwand
140 x 180 cm, Foto: courtesy artepari

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INDEPAINTED II
mit Veronika Dirnhofer, Christian Eisenberger, Andrea Fian, Klaus Wanker, Wolfgang Wirth

Mit der Ausstellung „Indepainted II“ bietet die Galerie artepari erneut einen eigenständigen Blick auf junge zeitgenössische österreichische Malerei. Diese hat die Grabenkämpfe zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, Modernismus und Konzeptualismus längst überwunden und präsentiert sich vielfältig und frei von Dogmen. Bewahrt hat sie sich aus ihrem kunsthistorischen Erbe jedoch den Glauben an zwei Eckpfeiler: dass jeder Künstler / jede Künstlerin seine eigene Position entwickeln und abstecken muss. Daraus hat sich eine Vielfalt von eigenständigen Positionen ergeben, die sich jenseits von Schulen, Bewegungen und Städten gleichzeitig und unabhängig voneinander entwickeln.

Dass ein Gemälde nicht nur ein Gemälde ist, sondern immer auch die Idee von einem Gemälde repräsentiert. Frank Stella hat dies einst als die zwei wesentlichen Probleme der Malerei dargestellt: Herauszufinden, was Malerei ist und herauszufinden, wie man Malerei macht. Die Ausstellung „Indepainted II“ gibt einen konzentrierten Einblick wie dies momentan in Österreich geschieht.


Veronika Dirnhofer

Die Wiener Malerin Veronika Dirnhofer ist bekannt für ihre grellen und farbexplosiven Bildschöpfungen, in denen sie die vielfältigen Kombinationen und Konfrontationen von abstrakten und figurativen Formen erkundet und deren wechelseitiges Spannungsverhältnis auslotet. Dabei spielt die Landschaftsdarstellung eine spezielle Rolle in ihrem Werk, dient ihr der Naturraum doch als ein Denkraum, als eine Möglichkeitsform abstrakte Gedanken und philosophische Fragen malerisch zu verhandeln. In diesem Sinne fügen sich die neuesten Bilder der Künstlerin gut in ihr übriges Oeuvre und stechen doch aufgrund ihres plastischen Pointilismus und des völligen Fehlens von sonst charakteristischen Texfragementen deutlich heraus. Wie kaum zuvor hat Dirnhofer einen wahren Malrausch auf die Leinwand gebannt, dessen überwältigende Wucht und Energie sich unmittelbar auf den Betrachter übertragen. Heftig gesetzte Farbschlieren treffen auf pastose Farbtupfen, dynamische Pinselhiebe auf plastische Spachtelspuren, reliefartige Farbstrukturen auf lasierend gemalte Grundierung. Es ist Malerei im Rausch, reine Farbe in Allianz mit purer Energie, mit denen Drinhofer die expressive Malerei van Goghs ins 21. Jahrhundert überführt. Der aufmerksame Betrachter und die geduldige Betrachterin wird Fragmente des Landschaftlichen erkennen, Spuren eines Naturraums erahnen und von Baumkronen aus Pinselspuren und Schwärmen aus Spachteltupfern sprechen, die von einem Sturm malerischer Energie durchdrungen sind. Die unbetitelten Bilder der Künstlerin vereinigen die Tendenzen reiner, unmittelbarer Malerei mit der romantischen Tradition der Seelenlandschaft und spiegeln die Ausdrucksmöglichkeiten zeitgenössischer Malerei.  
 
Christian Eisenberger
Der so vielseitige wie ungewöhnliche Künstler Christian Eisenberger wird gerne als enfant terrible der österreichischen Kunstszene bezeichnet, weil er mit und aus jedwedem Material, das ihm gerade zur Verfügung steht, Kunst macht und sich um keinerlei Konventionen des Kunstbetriebs kümmert. Vor einigen Jahren hat er das Medium der Malerei für sich als Experimentierfeld erkoren und sucht seither beständig dessen Möglichkeiten zu erweitern, indem er den Zufall bei der Entstehung seiner Bilder erhöht und den eigenen Anteil an der Werkgenese minimiert. Am liebsten wäre es ihm nach Eigenaussage, wenn sich die Bilder unter seiner Obhut von selbst malen würden. So schüttet er unterschiedliche Farben und Lacke auf eine Leinwand, um sie mit einer anderen Leinwand gleich einem Pinsel zu verwischen. So bedingt ein Bild nicht nur das andere, sondern gestaltet dieses buchstäblich. Immer wieder spritzt oder tropft er die Farbe einfach nur auf den Bildträger und lässt die Gravitation oder die den unterschiedlichen Farbenkonsistenzen inhärenten Wirkkräfte den Rest erledigen. Trotz dieses hohen Grades an gesuchtem Zufall ist es immer wieder die Form des menschlichen Kopfes, die sein unbewusster bzw. bewusster Gestaltungswille zu Tage fördert. Seien es die Drippings in „Back to Road“ oder „Doppelpass“, die Verwischungen in „Mr. 3 Promille“ oder die Übermalungen  abstrakter Lackbilder, die als verbindende Auslassung den Schemen eines Kopfes zeigen. Die zufälligen Kopfgeburten Eisenbergers öffnen das Genre des Porträts dem Experiment und verbinden auf spielerische Weise die einst doktrinäer vertretenen Gegensätze Abstraktion und Figuration. Mitunter fliegen dafür auch die Leinwände durch das Atelier und durchdringen einander wie bei den Bildern „Back to Road“ und „Doppelpass. Trotz des auf den ersten Blick humorvollen und ironischen Umgangs mit den malerischen Traditionen und des spielerischen Zugangs zur Kunst arbeitet Eisenberger stark medienreflexiv und führt die Bestrebungen der 1960er Jahre nach einer erweiterten Malerei fort. So auch in den jüngst entstandenen Hinterglasmalereien und Strukturbildern. Farbe wird aus der Tube auf den jeweiligen Bildträger gedrückt und dann entweder von einer Glasplatte zusammengepresst oder in Plastikfolie eingeschweißt. Was durch das Zusammendrücken der Farbe und nach dem Entfernen der Folie bleibt sind abstrakte Strukturen von bestechender Sinnlichkeit, wie man sie durch keine gezielte Konstruktion je erzeugen könnte.

Andrea Fian
Andrea Fians Malerei zeichnet sich durch eine selektive Palette gedämpfter Farbigkeit und ein spezifisches Formenvokabular aus, das sie primär dem Insektenreich und der menschlichen Anatomie entlehnt. Die von ihr bevorzugten Farben Cölinblau, Zyklam und Orange werden, oftmals in einer Mischung mit Titanweiß, Schicht für Schicht übereinandergelegt und entfalten durch ihre Semitransparenz einen Raum, der von Werden und Vergehen erzählt. Der Begriff der „Werdung“, den Andrea Fian für ihre Bilder verwendet, betont durch das substantivierende Suffixung nochmals dem aktiven Prozess des Entstehens.
In symbiotischer Verbindung zu dieser Malweise steht ihr Formenkosmos unterschiedlicher Verpuppungen. Es ist das spezifische Stadium des Rückzugs und der Verwandlung von Insekten, das die Künstlerin zu einem ihrer Hauptmotive erkoren hat. Auch wenn Fian vielleicht detailreich von der Entwicklung der Köcherfliege berichten kann, darf ihr zoologisches Interesse nicht über den Symbolgehalt des Motivs hinwegtäuschen. Seit der Antike gelten Puppen und Kokons als Sinnbild für Wiedergeburt und Unsterblichkeit und bezeichnenderweise wurde die Puppe des Schmetterlings im alten Griechenland als „Hülle des Toten“ („νεκύδαλλο"), der fertige Schmetterling jedoch als „Psychè" („ψυχηή"), als „Seele", als „Leben" benannt. Doch Andrea Fian zeigt uns niemals das „Leben“, sondern immer nur die „Totenhülle“. Ihre Bilder zeigen keine farbenprächtigen Schmetterlinge, die über Blumenwiesen flattern, sondern bleiche Gebilde, die mumiengleich in abstrakte Formen eingebettet sind. Sie erzählen von Rückzug, Abschottung, Verhärtung, Erstarrung und sogar Tod, aber zugleich auch, sanft und subtil von Verletzbarkeit, Zerbrechlichkeit, der Möglichkeit des Wandels, von Hoffnung.
Psychè bezeichnet im antiken Griechenland jedoch nicht nur die Seele, sondern auch den Hauch, den Atem und konsequenterweise verknüpft Fian ihr Formenvokabular der Verpuppung mit Details der menschlichen Anatomie, im Speziellen mit dem Brustkorb. Der Thorax stellt die zentrale Hülle unseres Atems dar und über Jahrhunderte hindurch wurde daher der Sitz der Seele unter seinen schützenden Flügeln vermutet.
Andrea Fian malt nicht bloß Insektenpuppen, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheinen mag, sondern verhandelt im Zeitalter des „erschöpften Selbst“ (Alain Ehrenberg) Fragen des Rückzugs, des Ausstiegs, der Möglichkeit der Veränderung und des Wandels und der Endlichkeit  
 
Klaus Wanker
Zwischen den hyperrealen Darstellungen seelenleer wirkender Jugendlicher unserer Lifestylekultur und den düsteren Szenarien der neuesten Bilder von Klaus Wanker scheint auf den ersten Blick eine große Kluft zu sein. Der Mensch ist aus seinen Gemälden verschwunden, die Farbigkeit scheint wie ausgelöscht und unheimliche, digital wirkende Architekturen haben die heile Welt des kommerzialisierten Glamours ersetzt. Und doch gibt es Verbindendes zwischen diesen so unterschiedlichen Werkserien: die raffinierte, malerische Präzision, die kühlen, makellosen Oberflächen, die Analyse eines spezifischen gesellschaftlichen Systems, die Suche nach dem Lebendigen in einer sinn- und seelenentleerten Umgebung.
Wanker entwirft in Grau- und Grüntönen dystopische Szenerien, die menschenentleerte Landschaften mit architektonischen Strukturen verschmelzen. Diese virtuell anmutenden Landschaftshybride sind von einer postapokalyptischen Atmosphäre durchdrungen, die unmittelbar Fragen nach dem Wo, Wann, Wie und Warum aufwerfen. Und doch muss es sich bei diesen Darstellungen nicht um düstere Zukunftsvisionen handeln, denn technoiden Landschaftskonstrukte, seelenlose Architekturen, menschenleere Industrielandschaften und nachhaltig zerstörten Naturraum findet man auch in der Gegenwart.
Der Konflikt zwischen Technik und Natur, Fortschritt und Zerstörung, toter und lebendiger Materie, Leben und Dahinvegetieren prägt auch die Bilder seiner jüngsten Serie „I'm stalking you“. Für dieser Werkgruppe hat Wanker erstmals Aluminiumfolie auf die Leinwand appliziert und diese dann mit Öl und Alkydharz überarbeitet. Ausgehend von realen Zoosituationen hat er exotische Wildtiere in technoide Räume gestellt, um mit Metallfolie und Rasterstrukturen das beklemmende Gefühl des Gefangenseins und der Ausweglosigkeit zusätzlich zu verstärken. Die einzelnen Bilder sind nach den Längen- und Breitengraden der „größten geschlossenen Anstalten“, wie Wanker Zoos nennt, betitelt. Die Tiere und die Umgebung sind ex negativo gemalt und vermitteln den Eindruck eines Daseins in einer Schattenwelt. Verstärkt wird dieser ephemere, geisterhafte Eindruck zusätzlich durch die unterschiedlichen Lichtreflexionen auf der Metallfolie: Das Bild wird durch jede Veränderung des Betrachterstandpunktes leicht modifiziert. Durch die Spiegelung der realen Betrachterumgebung wird ihm eine weitere Bedeutungsebene eingeschrieben.
Wanker gelingt mit den Bildern seiner Serie „I'm stalking you“ die Genese zeitloser, existenzieller Situationen, deren perfekte Oberflächen nur allzugut in unsere technoide Zeit passen. 

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth könnte man als Dichter-Philosophen unter den Malern bezeichnen. Er pflegt über seine Malerei einen medienreflexiven Diskurs. Was ist Malerei? Was kann Malerei sein? Was ist der Unterschied zwischen einem Gemälde und Malerei? Wo treffen sich Naturwahrheit und Kunstwirklichkeit? Und natürlich bleibt auch die Frage nach dem Realen in der Malerei nicht ungestellt.
Ein Papierboot schwimmt im Wasser. Doch was macht aus einem Stück Leinwand, das mit blauen und grauen Streifen bemalt ist, die Illusion von Wasser? Ein nacktes Pärchen am Strand. Doch anstatt des für unsere Bildillusion notwendigen Himmels sehen wir nur breite dunkle Pinselstriche. Wolfgang Wirth konstruiert mittels realistischer Darstellungselemente, Perspektive, Komposition und Farbwerte fiktive Bildräume, die er im selben Augenblick aber durch bewusst gesetzte Störfaktoren und Irritationen wieder aufbricht. Er will uns trotz der „realistischen“ Darstellungsweise nicht vergessen lassen, dass der Pinselstrich, der den fiktiven Bildraum erzeugt, zugleich die bloße Spur eines Pinsels im Realraum ist, wie auch die Farbe nicht nur eine entscheidende Komponente für die Bildillusion ist, sondern auch ein simples Material aus Pigmenten und Bindemittel. Es geht um ein Gewebe aus unterschiedlichen Realitätsebenen, das er zur Anschauung bringt, wie zum Beispiel im Bild „Palm-lined Beach“. Eine Uferpromenade, perspektivisch verkürzt, Palmen, doch dahinter keine Altstadt oder Hotelburg, sondern ein abstraktes Farbgeflecht. Selbst die Mäander im Vordergrund der Palmen sind von geometrischer Abstraktion durchdrungen.
Ein Begriff, der für Wirth in diesem Zusammenhang wesentlich ist, ist jener der Verortung, der Verortung der unterschiedlichen Bildelemente auf dem Leinwandgeviert, im Illusionsraum und auch auf der Raumebene eines kollektiven Gedächtnisses. Das Nebeneinander verschiedener Topoi führt fast automatisch zu Verbindungen und Relationen, die nicht nur die Farben auf der Leinwand, sondern auch die unterschiedlichen Bedeutungsebenen miteinander verweben. Dabei geht ihm wie in „Palm-lined Beach“ nie darum einen realen Ort abzubilden, sondern ihn interessiert, wie das Bild eines Ortes in der menschlichen Vorstellung entsteht. Malerei ist für Wolfgang Wirth ein Möglichkeitsraum, Fragen des Realen und der Malerei selbst zu stellen, zu untersuchen und vielleicht auch zu beantworten.

Künstlertexte: Roman Grabner, 2012

Ausstellungsort:
artepari, Galerie für zeitgenössische Kunst
Peter-Tunner-Gasse 60, 8020 Graz

Ausstellungsdauer:
26. Jänner bis 20. April 2012 

Kontakt
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