Markus Wilfling – Die Verabredung

Die Vermählung von Skulptur und Design, die Konstruktion von Plastiken mit einem Gebrauchswert als Möbel sind seit den 80er Jahren (siehe John Armleder) ein Trend, der nicht aufgehört hat die Kunstszene zu beleben und den auch die jüngste Generation weiterentwickelt (siehe Tobias Rehberger). In den 80er/ 90er Jahren entwickelte sich ebenfalls ein anderer kennzeichnender Trend, die Kunstwerke direkt für einen spezifischen Ort. zu produzieren. Die "spezifischen Objekte" (Donald Judd) der Minimal Art wandelten sich zu Objekten für einen spezifischen Ort. Site specifity wurde zu einer relevanten künstlerischen Kunstproduktionsmethode. Markus Wilfling kombiniert in seiner Installation im Stiegenhaus der Neuen Galerie beide Verfahrensweisen. Er stellt Gartenbänke des öffentlichen Raumes skulptural in den Schacht des Stiegenhauses, allerdings in einer weise, die die Bänke nur teilweise benützbar macht und insgesamt sowohl die Funktion des Stiegenhauses wie der Bänke in Frage stellt und beeinträchtigt. Das Wohnzimmer, das durch die Bänke angedeutet wird, hängt in der Luft. Private und öffentliche Sphären (Wohnzimmer, Stiegenhaus, Garten) durchdringen einander auf verquere spiegelbildlich verzerrte Weise. Öffentlichkeit und Privatheit spiegeln sich in einer Möbelskulptur, die aus einem Stiegenaufgang und einem Bankensemble besteht. Die Akkumulation dieser ready mades gibt in ihrer Schichtung den Zustand der öffentlichen Sphäre von heute wieder, wo die geschwätzigen Sitzmöbel der Talkshows im öffentlichen Raum der Medien das ehemalige Raisonnement der souveränen Objekte ersetzen. Wilflings Skulpturale Installation zeigt das Mobiliar einer absurden Talkshow ohne Sinn und ohne Subjekte, aufgehängt im luftleeren Raum, im sinnlosen Raum der Medien. Ein Wohnzimmer ohne Wände, eine Plattform ohne Plafond und Boden, ein Stiegenhaus als Aufzug ohne Bewegung und Chassis - dies ist der Zustand unserer Gesellschaft, des Projektes der unvollendeten Demokratie.

Peter Weibel, 2001


"Die Arbeiten von Markus Wilfling basieren auf einer genauen Beobachtung der gegebenen Wirklichkeit, ihrer Erscheinungen und optischen Qualitäten. Dabei wendet er seine Aufmerksamkeit wenig oder nicht beachteten Dingen zu, wie Alltagsgegenständen in ihrer Fähigkeit, Schatten zu werfen oder sich zu spiegeln. Sein ästhetisches Interesse an real Gegebenem ist verbunden mit dem Bedürfnis, seine künstlerischen Realisationen nicht als individuelle Schöpfungen an die Subjektivität des Künstlers zu binden. Phänomene der Gegenstandswelt werden nicht-manipulativ, unabhängig von mentalen Vorgaben und psychologischen Motiven, auf eine künstlerische Ebene geführt.
Der Künstler kehrt in seinen Installationen und Objekten alltägliche Situationen in ambivalente um, in solche, die den Blick verweilen lassen, d.h. den normalerweise flüchtigen und automatisierten Wahrnehmungsprozess verlangsamen. Dabei vermeidet er bewusst den Anschein des Inszenierten, des Gemachten, denn das Gegenstände Schatten werfen oder sich in einem Spiegel virtuell verdoppeln entspricht der Alltagserfahrung des Menschen. Die Irritation ergibt sich aus der Substantialisierung des Virtuellen, Flüchtigen durch die von Wilfling vorgenommene real-gegenständliche Verdoppelung ausgewählter Objekte, und hier erfolgt eine Transformation gewöhnlicher Verhältnisse in ästhetische. Das Sichtbare verlässt die Welt der natürlichen Erscheinungen und tritt in eine Kunstwelt ein."

(Zitat: Kerstin Braun, in: MARKUS WILFLING andersartiges gleichartiges. Katalog anlässlich der Ausstellung "Die Verabredung" Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Stiegenhaus, Graz.
Kurator: Peter Weibel. Wien 2001.)

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