Ferdinand Penker
Ausstellungsansicht, Bilder: v.l.n.r. „o.T", 2012, Tempera, Baumwolle, Holz, 252 x 172 cm
„o. T.“ 2012, Tempera, Papier, 49,5 x 69,5 cm
Foto: artepari, courtesy artepari, 2012
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Ferdinand Penker
Ausstellungsansicht, Bilder: v.l.n.r.
„o. T.“ (14 - 16), 2012, Tempera, Papier, 49,5 x 69,5 cm
Foto: artepari, courtesy artepari, 2012
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Ferdinand Penker
"o.T" (18), 2012, Tempera, Baumwolle, 136 x 160 cm
Foto: courtesy artepari, 2012
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Ferdinand Penker - grey matter
 
Dieser kurze Text, der als Einleitung, als Hinführung zum Werk von Ferdinand Penker gedacht ist, könnte mit einem Satz beginnen, in dem „Ferdinand Penkers Bilder“ das Subjekt ist und „zeigen“ das Prädikat, dem man wahrscheinlich ein Adverb wie „charakteristischerweise“ beifügen würde, um zum Objekt „Formen“ zu kommen, das man mit Adjektiven versehen könnte wie einfache, reduzierte, konkrete, um sie in einem Nebensatz näher zu erläutern. Mit einem klassischen, aber ordinären Satz wie diesem könnte man eine Einführung in sein Schaffen beginnen, würde aber weder ihm noch seinem Werk gerecht werden. Ferdinand Penkers Arbeiten sind keine Exemplifikationen eines Stils oder einer Theorie, auf das man mit Stehsätzen, Phrasen und Floskeln eine Zuordnung abrufen könnte, sondern sie bedürfen einer fortwährenden Offenheit, Aufmerksamkeit und Genauigkeit des Betrachters, um „erkannt“ zu werden.

Vor genau 40 Jahren hatte Penker in Graz seine erste Ausstellung. Im Forum Stadtpark hat er seine Bilder auf zwei vier Meter hohe Wände gehängt und die Betrachter quasi genötigt, auf Leitern zu steigen, um die Werke in genaueren Augenschein zu nehmen. Er hat dem Betrachter also von Anfang an einen gewissen Aufwand, eine gewisse Anstrengung abverlangt, seine Kunst zu erschauen. Es gibt wahrscheinlich nicht viele Künstler, die in vier Jahrzehnten ein Werk geschaffen haben, dass in seiner äußeren Klarheit und inneren Konsequenz mit dem von Ferdinand Penker verglichen werden kann. In ihm schlägt äußerste Reduktion um in höchste Komplexität, bereitet ein streng konzeptueller Ansatz den Boden für spielerische Experimente.

Ferdinand Penker hat sein Werk frei von interpretatorischen Zumutungen gehalten und würde sich wahrscheinlich mit Nachdruck gegen subtile Überfrachtungen wehren. Er ist der Meinung, dass sich seine Arbeiten rational erläutern lassen, da sie auf einfachen und nachvollziehbaren Entscheidungen beruhen. Es gibt im Werk von Penker keine großen Geheimnisse oder versteckte Botschaften, die es aufzudecken und zu entschlüsseln gilt. Im Wesentlichen gilt Frank Stellas Diktum: What you see is what you see. Und doch gilt es, genauer hinzuschauen.

Die Bilder wirken zunächst karg und einfach, aber während man sie betrachtet, werden sie immer reicher an sorgfältig ausgearbeiteten Details. Penkers Gemälde sind zumeist monochrom ausgeführt und von einem repetitiven, mitunter kleinteiligen Malduktus gekennzeichnet. Selbst, wo wir breite Pinselbahnen als Indizien einer „wilden Malerei“ zu deuten versucht sind, handelt es sich in Wahrheit um Ergebnisse eines planvollen und aufwendigen Arbeitsprozesses. Der gestische brush stroke des abstrakten Expressionismus ist konstruiert, was zahlreiche Kompositionsskizzen belegen. Aber auch die Streifen, Bahnen und Balken der neuesten Arbeiten, die vordergründig keine Pinselspur erkennen lassen, sind nicht das Ergebnis eines spontanen Malaktes, sondern eines äußerst überlegten Waltens.

Das Oeuvre Penkers ist seit den 1970er-Jahren durch Werkserien geprägt. Er vertritt die Annahme, dass es für jede bildimmanente Problemstellung mehrere Lösungsansätze gibt. Das jeweilige Bild versteht sich daher als eine „Momentaufnahme“ innerhalb eines Prozesses. Man könnte zur Beschreibung das musikalische Kompositionsmittel der Variation heranziehen, bei dem ein Thema auf vielfältige Weise melodisch, harmonisch und rhythmisch abgewandelt wird. In Penkers Arbeiten erfolgt dies durch Modulation von Formelementen, durch wechselnde Zustände von Verlaufsformen und charakteristischerweise durch möglichst kleine Differenzierungsschritte innerhalb einer Serie. Die neu für die Ausstellung entstandene unbetitelte Serie in Tempera auf Papier gibt eindrucksvoll Beleg für diese Verfahrensweise. Im Malprozess sind leicht voneinander variierende Balkenformen an den Bildrändern ausgespart worden, die zu einem späteren Zeitpunkt (nach dem Trocknen) im selben Malgestus ausgeführt wurden. Hier tritt auch das Moment der Zeitlichkeit in das Bild, das durch den leicht nachvollziehbaren Prozess der Werkentstehung wahrgenommen werden kann. Das Gemälde kann daher durchaus als Zeugnis und Speicher verstrichener Zeit betrachtet werden.
 
Bestimmendes Element in Penkers Werk ist und bleibt aber die Linie. Sie ist anfangs eine Aussparung im Malprozess, ein Schlitz, der den Blick auf den unbehandelten Malgrund freigibt.  Dadurch wird wieder die zeitliche Komponente betont, indem das Davor und das Danach nebeneinander ansichtig werden. Sie ist das Hauptgestaltungselement in der Druckgrafik. Penker hat parallel zu seiner Malerei auch ein umfangreiches druckgrafisches Werk geschaffen, das zahlreiche Querverbindungen zum malerischen Oeuvre aufweist. Der in der Ausstellung präsentierte Radierungszyklus N1-N8 greift dieselbe Problemstellung auf, die auch in der unbetitelten dreizehnteiligen Tempera-Arbeit verhandelt wird. In dem Geflecht aus kleinteiligen Netzwerken wird an den Bildrändern eine Modulation von Balkenformen durchexerziert, die durch die medienspezifischen Eigenheiten der Druckgrafik eine eigenständige Qualität gegenüber der Malerei einnimmt. Die Linie ist dominierendes Formelement in den unterschiedlichen Serien „Bandwerk“. In diesen Werken recycelt Penker sich selbst. Die Klebebänder, mit denen er seine Papierbögen während des Malprozesses am Boden befestigt, werden nicht weggeworfen, sondern dienen als Gestaltungsmittel einer eigenständigen Werkserie. Und sie ist natürlich in vielfältigen Ausprägungen seiner Malerei gegenwärtig, spricht man nun von Streifen, Bahnen, Bändern oder Balken.

Die Ausstellung „grey matter“ in der Galerie artepari versammelt ausschließlich graue Arbeiten, die alle 2012 entstanden sind. Die Farbe Grau gilt als Inbegriff der Neutralität und des Ausgleichs, aber auch der Indifferenz, des Stillstands und des Verlöschens. Grau lässt sich auf zwei Weisen herstellen: entweder durch die Kombination von Schwarz und Weiß oder durch die Mischung der drei Grundfarben Rot, Blau und Gelb, die dabei ihre Intensität und Leuchtkraft einbüßen. Philipp Otto Runge weist dem Grau in seiner Farbenkugel den Platz der Mitte zu und besetzt es mit Eigenschaften wie Ruhe und Harmonie. Für Alan Charlton, den Maler der grauen Bilder, ist es „die Farbe der Nützlichkeit und der Langeweile, der Melancholie, der Depression“.1 Doch zugleich sieht er sie auch als „emotionalste Farbe, die es gibt“.2 Penker hat dieser trüben Farbe, die für Kandinsky „klanglos und unbeweglich“ war, eine Vielzahl an Nuancen und Tönen entlockt. Es obliegt dem Betrachter, seine „grauen Zellen“ (grey matter) anzustrengen, um dieser Mannigfaltigkeit an Variationen des Ausdrucks gewahr zu werden.
 
Roman Grabner, 2012 
  
1    … es sind Bilder, ganz entschieden – Alan Charlton im Gespräch mit Doris von Drathen. In: Kunstforum International 108 (1990). S.229. 
2   Ebda.


Ferdinand Penker
geb. 1950 in Klagenfurt
lebt und arbeitet in der Weststeiermark
ab 1968 einige Jahre Medizin- und Kunstgeschichtestudium in Graz
ab 1969 zahlreiche Reisen in die USA, 1972 erste Ausstellung eigener Arbeiten, ab 1977
schließlich ein 10jähriger Aufenthalt in San Francisco
Professur an der University of California in Davis
Druckgraphische Arbeiten am KALA Institutein Berkeley
ab den 1990er Jahren wiederholt Arbeitsaufenthalte in Polen, Irland,


Ausstellungsort:
Galerie artepari, Peter-Tunner-Gasse 60, 8020 Graz

Ausstellungsdauer:
28. September bis 16. November 2012 

Kontakt
artepari
Galerie für zeitgenössische Kunst
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Telefon: +43(0)676/519 00 66 oder +43(0)316/89 00 92
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